„Wir wollen den Frieden, Freiheit und Recht, dass Niemand sei des Andern Knecht, dass Arbeit aller Menschen Pflicht und keinem es an Brod gebricht.“ Dieser Text stammt aus der dritten Strophe des 1871 entstandenen Liedes „Es tönt ein Ruf von Land zu Land“ von Hermann Greulich.
Er ist mit verschiedenfarbiger Wolle auf Papiercanveas gestickt. Wie heute memes mit Zitaten und Sinnsprüchen die timelines von social-media-Kanälen bestimmen, war es zum Ende des 19. Jahrhunderts Mode, sich solche Bild- und Wortcollagen in die heimische Stube zu hängen. Sie wurden mit religiösen Motiven, Sinnsprüchen oder den Portraits der deutschen Kaiser angefertigt.
Auf diesem Stück aus unserer Sammlung ist neben dem Liedtext ein Portrait von Wilhelm Liebknecht aufgeklebt. Er war neben August Bebel und Ferdinand Lassalle einer der Gründerväter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Bestickte Bilder der Gründerväter schmückten in der Zeit des Aufstiegs der Sozialdemokratie sicher viele Arbeiterwohnungen, auch hier in Brandenburg an der Havel. Unser Bild dürfte in die Zeit zwischen 1890 und 1900 datieren: 1890 wurde das „Gesetz gegen die gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ (Sozialistengesetz) aufgehoben, seit 1900 wurde nach einer Rechtschreibreform das Wort „Brot“ mit t geschrieben.
Das Stickbild lässt den Geist der Zeit aufleben, als Arbeiter ihre Hoffnung auf faire Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung und mehr Rechte für sich in die Vertreter der SPD legten.