Ein Weihnachtsfest ohne Plätzchen, Honigkuchen oder Spekulatius ist eigentlich undenkbar, am besten schmecken sie selbst gebacken. Als Baumschmuck oder als Geschenk spielte es in der Vergangenheit auch eine große Rolle. Mit kunstvoll geschnitzten Backmodeln entstand „Bildgebäck“, mit einer Geschichte im Hintergrund. Unter einem Model versteht man eine Ton- oder Holzform für Knet- oder Gusserzeugnisse, natürlich nicht für Gebäck, auch für Butter, Wachsprodukte und sogar für Metallgegenstände. Das so genannte „Markusbrot“ aus Venedig als eines der ältesten bekannten Bildgebäcke brachten Kaufleute mit nach Köln und Frankfurt und damit wohl auch die zugehörigen Model. Ab der Barockzeit blühte die Kunst des Herstellers von Backmodeln in Deutschland richtig auf, hergestellt von als Künstler hochangesehene Holzschnitzern. Die ältesten, runden Formen hatten zunächst Motive religiösen Inhalts. Ab späten 16. Jahrhundert kamen Zunftzeichen, Landsknechte, Reiter, Kavaliere sowie Portraits von Fürsten und Königen hinzu, Szenen aus dem Alltagsleben, heraldische Motive, Tiere, Blumen und Pflanzen folgten. Zu festlichen Anlässen wie Hochzeit oder Kindtaufe ließ man Model anfertigen, die dann in der Familie aufbewahrt wurden. Die Ausgestaltung der Figuren änderte sich mit dem Zeitgeschmack. Waren im Barock üppige, reich verzierte und detailreiche Darstellungen geschätzt, wurden die Motive und ihre Ausgestaltung in der Biedermeierzeit und danach schlichter. Es waren dann meist liebliche Motive wie Freundschaftssymbole, Vögel, Blumen und Herzen. Aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt nun unser seltener, doppelseitig geschnitzter Model. Er bezieht sich auf die Geschichte des durch seinen genialen Coup im Oktober des Jahres 1906 weltberühmt gewordenen kriminellen Schuster Wilhelm Voigt, der als „Hauptmann von Köpenick“ in die Geschichte einging. Mit einer gebraucht gekauften Hauptmannsuniform und der Rekrutierung von zufällig vorbeikommenden Soldaten erbeutete er mit eingeübter militärischem Schneid und List 4002 Taler aus dem Köpenicker Rathaus in Berlin. Das Glück währte nicht lange, Voigt wurde „enttarnt“ und verurteilt. Die Welt aber hatte etwas zum Lachen, das Kaiserreich war blamiert. Dies nahm ein geschäftstüchtiger Schnitzer zum Anlass, die Backform mit der Darstellung des falschen Hauptmanns auf der einen Seite und die des „veräppelten“ deutschen Kaisers Wilhelm II. auf der anderen Seite herzustellen. Auf Jahrmärkten und Weihnachtsmärkten waren die damit gebackenen Lebkuchen der Renner. Der Coup des Wilhelm Voigt wurde auch danach vielfach zum Anlass genommen, den Militarismus und den Untertanengeist im deutschen Kaiserreich kritisch darzustellen. Carl Zuckmayer schrieb 1930 das Stück „Hauptmann von Köpenick, ein deutsches Märchen“, noch im selben Jahr entstand ein Film hierzu. 1956 entstand die bekannteste Verfilmung mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle. Aus konservatorischen Gründen können wir leider kein Gebäck mit unserem Model anfertigen, sehr schade!