Derzeit schauen wir intensiv unseren Fotobestand durch, denn die enthaltenen Fotos und Negative bilden den Grundstock für die nächsten Ausstellungen im Stadtmuseum. Aber immer gibt es „Beifang“, daher laden wir heute, im 71. virtuellen Rundgang in die Neustadt ein, genauer gesagt in die Abtstraße.
Wir schauen die Abtstraße Richtung Paulikirche hinunter auf den Paulikirchplatz, in dessen Mitte die hier quer im Bild stehenden Häuser den Blick auf die Kirche versperren. Wann genau das Foto entstanden ist, wissen wir nicht, aber es gibt einige Hinweise auf die Zeit vor 1890. Zunächst einmal sehen wir beim Blick auf die Straße, dass es noch keine Kanalisation gibt, denn vor den Häuser verlaufen flache Gräben, in denen etwas Wasser steht. Steinplatten dienen als kleine Brücken über das Schmutzwasser. Links im Bild erkennt man das Firmenschild der Böttcherei Nobel. 1892 ist der Betrieb laut Adressbuch in die Abtstraße 1 umgezogen, die rechts hinter dem Fotografen lag. Die „Anstalt für künstliche Mineral Wässer“, geführt von Familie Itzerott gab es bereits seit 1847 in der Abtstraße 6 (rechts). Hier wurde offensichtlich aus lokalem Wasser durch Zusatz von Mineralien geschätztes, prickelndes Wasser erzeugt. Vor dem Haus Nobel und dem Nachbarhaus stehen zwei Handwagen vor der Tür. In den groben Leinensäcken könnten sich Kohlköpfe befinden, so wie die Säcke ausbeulen. Weiter im Bildhintergrund steht ein bäuerlicher Pferdekarren, dessen Ladung man nicht erkennen kann, da sie mit einem Öltuch über einem Gestell abgedeckt ist. Und die Bewohner? Am deutlichsten erkennt man den Herrn mit der hellen Hose im Bildhintergrund. Er lehnt lässig am Haus und unterhält sich offensichtlich mit der Frau, die links von ihm im Fenster lehnt. Rechts von ihnen steht ein weiteres Paar: links der Mann, rechts eine Frau, die etwas unscharf wirkt. Auch oben aus dem 1. Stock links schaut jemand auf den Platz. Als dieses Foto entstand, kam der Fotograf mit einem großen Ungetüm auf drei Beinen, versteckte sich zum Einrichten der Kamera unter einem Tuch und musste die Platten, die mit einer lichtempfindlichen Chemikalie behandelt waren, mehrere Minuten belichten. Daher erscheinen Menschen in Bewegung so geisterhaft und unscharf. Man muss schon sehr genau suchen, um sie alle zu sehen. Haben Sie alle entdeckt? Auf dem zweiten Bild haben wir unsere „Geister“ markiert. Viel Spaß beim Rätseln!