Auch ohne eigene Ausstellung im Stadtmuseum möchten wir uns an der Brandenburger Frauenwoche „Superheldinnen am Limit“ beteiligen, gleichzeitig widmen wir diesen Artikel Konny Köppe, der langjährigen Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Brandenburg an der Havel zum Einstand in den Ruhestand.
Zunächst sah es nach nur einer „Superheldin am Limit“ aus, aber es sind doch drei, aber der Reihe nach. Die älteste dürfte den allermeisten vollkommen unbekannt sein: Minna Marie Auguste Bielefeld, geborene Schenk (1866 – 1947). In meinen Fokus geriet sie durch das künstlerische Schaffen ihrer Töchter Lucie (1891 – 1962) und Herta (1893 – 1975), die ja hier durchaus bekannt sind. In unserer Sammlung sind sie mit knapp inventarisierten 400 Gemälden und Grafiken vertreten. Bei der Durchsicht in der Datenbank unseres Hauses fielen mir als gelernte Archäologin drei kolorierte Darstellungen auf. Sie zeigen Tongefäße mit typischer Verzierung und Form sowie bronzene Gewandspangen und Armringe, die in das 3.-5. Jh. n. Chr. einzuordnen sind, betitelt als „Urnen vom Fundort Butzow“ und „Butzow / Mark“. Meine Neugier war geweckt, der Blick in unsere archäologische Fundkartei ergab den Hinweis auf die „Sammlung Bielefeld“. Dass hinter dem Namen „Bielefeld“ zunächst Marie, Mutter der beiden Künstlerinnen steht, wurde mir erst später bewusst.
Vor kurzem entdeckten wir bislang nicht inventarisierte Teile des Nachlasses von Herta Bielefeld, im wahrsten Sinne des Wortes einen echten Schatz: die Unterlagen zur „Sammlung Bielefeld“. Es sind hunderte Blatt einer Kartei mit Beschreibung zu Fundstellen im Umkreis von Brandenburg an der Havel, vor allem vom Hasselberg bei Butzow, ergänzt durch wunderbare Zeichnungen von Lucie und Herta. Zu diesem Konvolut gehören auch zwei Fotos von Marie in Aktion, beide 1915 auf dem Hasselberg bei der Arbeit aufgenommen. Im langen (Arbeits-)Rock mit Filzjacke und Spaten arbeitet sie sich durch den Oberboden an der Abbruchkante der Sandgrube, leicht lächelnd, aber durchsetzungsstark schaut sie in die Kamera. Auf dem zweiten Bild kniet Marie im sandigen Boden, Lucie schaufelt im Hintergrund, Herta und der Familienhund schauen zu. Herta hat uns ein Blatt mit drei Skizzen ihrer ausgrabenden Mutter hinterlassen, auf dem Schutzblatt betitelt: „Meine Mutter beim Urnenbuddeln auf dem Hasselberg“. Noch 1926 trägt Marie einen langen Rock, zu einer Zeit, als die Rocksäume längst nicht mehr knöchelumspielend waren. Wie lange sie als Ausgräberin tätig war, lässt sich im Moment noch nicht genau sagen, es scheint aber so, als seien die letzten Feldzeichnungen um 1930 entstanden. Die Anfänge von Maries Interesse an der Archäologie müssen vor dem 1. Weltkrieg zu suchen sein, leicht missgelaunt notiert Pfarrer Holtze 1925 im Vereinsbuch des Historischen Vereins, dass sie bereits vor 1914 aktiv war: „Die Tongefäße hat sich die durch ihre Buddeleien berüchtigte Frau Oberpostsekretär Bielefeld geholt.“
Einblick in ihre rege Sammeltätigkeit gibt auch ein liebevoll gestaltetes Album mit Fotografien der Wohnung der Familie in der Jahnstraße 11: überall stehen vollständige Gefäße, jeder Schrank, jeder Tisch, alle Regale scheinen überzuquellen.
1943 verkauften die drei Bielefeld-Damen größere Teile der Sammlung nach Köthen an das dortige Heimatmuseum, da dort bereits eine umfangreiche Sammlung bestand. Die handschriftliche Aufzeichnung zählt 195 Urnen sowie etwa 80 Beigaben aus Bronze, Eisen und Glas auf. Für uns heute überaus wichtig sind die zugehörigen Katalogunterlagen mit mehr als 800 Fundzeichnungen, aber auch solche über den Auffindungszustand der Gräber. Diese Verbindung von Dokumentation der Auffindung und der Funde ist bis heute in der Archäologie die Grundlage aller Auswertungen und Forschungen, einzig eine Vermessung und einen Übersichtsplan der einzelnen Gräber vermissen wir. Berthold Schmidt, Spezialist für die Völkerwanderungszeit aus Halle an der Saale sorgte dafür, dass 1965 die Sammlungsteile aus Köthen zurückkamen. Er publizierte 1963 einen Artikel das Gräberfeld von Butzow.
Auch wenn eine moderne Dokumentation eines Gräberfeldes wie das vom Butzower Hasselberg heute ungleich umfangreicher wäre, haben Minna Marie, Lucie und Herta uns einen Schatz hinterlassen, den es noch durch eine Digitalisierung der Dokumentation und der Funde zugänglich zu machen gilt. Schön wäre es, auch das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte sowie das Märkische Museum, wo weitere Funde aufbewahrt werden, für das Vorhaben zu gewinnen, um so die Sammlung zumindest digital wieder zusammenzubringen.
Die drei Bielefeld-Damen waren in ihrer Zeit wirklich „Superheldinnen am Limit“: Mutter Marie begann ihre Ausgrabungen zu einer Zeit, als durch die immer stärkere industrielle Ausbeutung der Landschaft das prähistorische Erbe vor der unwiederbringlichen Zerstörung stand. Ihre Tochter Lucie scheint in späteren Jahren der Kopf hinter der Dokumentation gewesen zu sein, denn unsere „Superheldin am Limit“ schließt ihren Brief, in dem sie 1943 den Bürgermeister von Köthen an dafür ausstehende Zahlungen erinnert mit dem Hinweis „Meine Augen sind heute sehr müde vom Malen“.
Für ihre unendlichen Mühen sind wir ihnen heute aber überaus dankbar!
Anja Grothe