Virtueller Rundgang 39 - Der Schöppenstuhl

Bleigefasstes Fensterglas mit dem Wappen der Brandenburger Neustadt und Inschrift: „ Eines Erbaren Ratz Wappen der Neustadt Brandenburg 1586“ (Foto: Stadtmuseum Brandenburg an der Havel)
Bleigefasstes Fensterglas mit dem Wappen der Brandenburger Neustadt und Inschrift: „ Eines Erbaren Ratz Wappen der Neustadt Brandenburg 1586“ (Foto: Stadtmuseum Brandenburg an der Havel)

In den folgenden Tagen wollen wir Ihnen Orte vorstellen, die aus dem Stadtbild verschwunden sind, allerdings sind in der Sammlung des Stadtmuseums Teile ihrer Ausstattung erhalten geblieben.

Der erste verschwundene Ort ist das Schöppenhaus, Sitz des Schöppenstuhls, der oberste Gerichtshof der Mark Brandenburg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Unterhalten wurde er spätestens ab dem 14. Jahrhundert gemeinsam von der Alt- und Neustadt Brandenburg. Erhalten geblieben ist nur eine farbige Fensterscheibe mit dem Wappen der Neustadt. Deutlich erkennbar ist, dass die Scheibe nicht im Original so gestaltet war: zwar ist das zentrale Wappen und die Umschrift („Eines Erbaren Ratz Wappen der Neustadt Brandenburg 1586“) darunter zusammengehörig, aber die von relativ groben Fensterruten aus Blei zusammengehaltenen anderen Fensterstücke zeigen, dass lediglich Scherben aus ursprünglich größeren Fenstern willkürlich gefasst wurden. Soweit bekannt, zeigte man die Scheibe im Neustädtischen Rathaus.
Das Schöppenkollegium sprach keine Urteile, sondern beantwortete fallentscheidende Rechtsfragen aus dem gesamten Zivil- und Strafrecht. Seine größte Bedeutung hatte das Gericht im 16. Jahrhundert, als es auch aus den Nachbarländern zur Rechtshilfe angerufen wurde. Zu dieser Zeit nahmen an einer Sitzung zehn Schöppen teil, je fünf aus der Alt- und Neustadt. Hinzu kamen zwei Schreiber. Jedes Todesurteil und die Anwendung der Folter mussten hier bestätigt werden. Allein etwa 700 Hexenprozesse wurden in der Zeit von 1530 bis 1730 verhandelt.
Besonders ist der Standort des Schöppenstuhls. Das Gebäude stand auf der Grenze zwischen Neu- und Altstadt auf Pfählen mitten in der Havel neben der Langen Brücke (heute Jahrtausendbrücke). Im Jahr 1700 stürzte das inzwischen sehr baufällige Gebäude ein, ein Sinnbild für den schon länger andauernden Niedergang der Institution. Mit der preußischen Justizreform wurde der Schöppenstuhl quasi überflüssig, formal wurde er erst 1810/11 aufgelöst. Der erhaltene Aktenbestand seit 1432 befindet sich heute im Landeshauptarchiv in Potsdam, die Bibliothek in der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin und die Fensterscheibe eben bei uns im Stadtmuseum.

Bilder in Hochauflösung